Gegenbesuch

Herr Fürstenberg, Bankdirektor, besucht eines Abends die große Gesellschaft seines Freundes, des Geheimen Kommerzienrats Soundso, der soeben geadelt worden war. Fürstenberg liebte solche Gesellschaften nicht und saß etwas mißgestimmt in den Ecken herum, auf den Augenblick wartend, wo er sich mit der Zeitung bewaffnet, in eine stille Ecke zurückziehen und lesen konnte. Endlich kommt der Moment. Fürstenberg verschwindet, sucht, um ungestört zu sein, einen gewissen Ort auf, zündet sich eine Zigarette an und fängt an zu lesen. Plötzlich wird die Tür aufgerissen, ein Frauenkopf erscheint, ein entsetzter Schrei ertönt, die Tür wird zugeworfen, und Fürstenberg, aus seiner Ruhe aufgescheucht, erkennt, daß er die Dame des Hauses vor sich gehabt hat. Etwas gedrückt geht er zu seinem Freund, erzählt ihm die Geschichte, worauf dieser ihn mit dem Bemerken beruhigt, unter so alten Freunden habe das doch nichts auf sich, er wolle mit seiner Frau sprechen und die Sache in Ordnung bringen. „Nun ja,“ meint Fürstenberg, „aber jetzt, wo Ihr geadelt seid, ist es da in Eurem Stande nicht üblich, daß ich meinen Gegenbesuch mache?‘

in Hilfe mein Zwerchfell (1928)

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